Laut Jeske (1981) „Unter Schulleistungsversagen versteht man eine Diskrepanz zwischen einem gegebenen individuellen Leistungsniveau und einer erwarteten Leistungsnorm. Die erwartete Leistungsnorm wird an der durchschnittlichen Leistung der Klasse definiert (Jeske 1981, S. 363).
Die personalen Bedingungen untergliedern sich in psycho-physische, kognitive und motivationale Bedingungen.
Besonders der Familie kommt eine große Rolle bei der persönlichen Entwicklung von Jugendlichen zu. Es besteht eine Interdependenz zwischen Schulerfolg und Familie. So wirken sich ungünstige Familienverhältnisse auf die Leistungsfähigkeit ungünstig aus. Es gibt auch geschlechtsspezifische Unterschiede. Tendenziell sind die Schulleistungen von Mädchen besser als jene von Jungen. Daher gibt es auch mehr männliche als weibliche Repetenten (Jeske 1982, S. 365).
Im Gegensatz zu den sozialen Kontakten innerhalb der Familie oder der Peergruppe, laufen in der Schule die Kontakte zwischen LehrerIn und SchülerIn formeller ab. Da die Aufgabe der Schule hauptsächlich in der Wissensvermittlung, der Erziehung und leistungsmäßiger Selektion besteht, gibt es nur einen begrenzten Handlungsspielraum für soziale Interaktionen. Unterschiede zwischen den individuellen Handlungskompetenzen und dem vom Lehrer repräsentierten schulischen Handlungsanforderungen können auftreten, wenn SchülerInnen wegen ihrer personalen Merkmale oder von ihrer Familie nicht ausreichend auf Sozial- und Leistungsanforderungen in der Schule vorbereitet wurden (vgl. Hurrelmann & Wolf 1986, S. 23f).
Oftmals wird vom Lehrer das Schulversagen als ein Nichtwollen, Faulheit oder Interessenslosigkeit des Schülers interpretiert. Vom Lehrer wird der „schlechte“ Schüler gesamt als negativ gesehen (z.B. Äußerlichkeiten) (vgl. Jeske 1981, S. 367). Der Lehrer sucht für das Versagen des Schülers Erklärungen im außerschulischen, personalen oder familialen Bereich. Seine eigenen Fähigkeiten und Methoden als Lehrer bleiben außer Ansatz (vgl. Hurrelmann & Wolf 1986, S. 29).
Oftmals wird von Repetenten das Schulversagen durch mangelnden Fleiß, kein Interesse am Unterrichtsfach oder zuwenig gelernt zu haben entschuldigt. Den Lehrer trifft natürlich auch eine Teilschuld, da man zum Beispiel kein gutes Verhältnis mit dem Lehrer hatte. Auch ist der Unterrichtsstil des Lehrers und sein Umgang mit den SchülerInnen verantwortlich dafür seine Leistungen nicht entsprechend erbracht zu haben (vgl. Hurrelmann & Wolf 1986, S. 27ff).
Die Sichtweise der Eltern ist ähnlich wie die Schülersichtweise. Auch hier ist der Hauptverantwortliche für das Versagen die Schule bzw. der Lehrer (vgl. Hurrelmann & Wolf 1986, S. 29).
SchülerInnen reagieren oft „cool“ auf Schulversagen. Nach außen hin zeigen sie selten Gefühlsregungen. Jedoch leiden fast alle SchülerInnen unter dieser Thematik (vgl. Hurrelmann & Wolf 1986, S. 28). Man kann behaupten, dass SchülerInnen einen Knacks fürs Leben durch das Sitzen bleiben bekommen. Mit dem Wechseln in die neue Klasse muss der Schüler seine alten Freunde verlassen und sich in eine neue Klasse einfügen. Die neue Klasse beobachtet den Sitzenbleiber genau, stempelt ihn, speziell in Volks- und Hauptschule, als Versager ab und grenzt ihn aus der Gemeinschaft aus.
Die Anforderungen die ein Sitzenbleiber an sich selbst stellt, stehen in engen Zusammenhang mit der Integration in der neuen Klasse. Die Ablehnung der neuen Klasse trifft das Selbstwertgefühl des Repetenten. Es ist dann oft der Fall, dass er auch in den anderen Fächer schwächer wird. Der Schulmisserfolg überträgt sich auch das Leben des Schülers. Dies zeigt sich durch Misserfolgsreaktionen wie z.B. die Eltern zu belügen oder durch Aggressionen. Es entsteht ein Teufelskreis. Durch diese Reaktionen wird er wiederum von Eltern, Schülern oder Lehrer kritisiert. Dadurch hat der Schüler noch mehr Angst zu versagen. Je mehr Angst er hat desto weniger traut er sich selbst und seinen Fähigkeiten zu. Diese Situation kann sich soweit entwickeln, dass eine sehr große Schulangst aufgebaut wird (z.B. Black-out bei Prüfungen) (vgl. Jeske 1981, S. 369ff).
Hurrelmann, K. & Wolf, H. K. (1986). Schulerfolg und Schulversagen im Jugendalter. Fallanalysen von Bildungslaufbahnen. Weinheim und München: Juventa Verlag
Jeske, W. (1981). Versetzen oder Sitzenbleiben Das Problem der Leistungsversager. In W. Twellmann (Hrsg.), Handbuch Schule und Unterricht. Band 1. (S. 361-377). Düsseldorf: Schwann-Handbuch.